Trudering, 30.12.2023 - Seit dem Überfall der Hamas auf Israel erschüttern Terror und Krieg den Nahen Osten. Ist es unter diesen Voraussetzungen noch möglich, sich zu dem Thema miteinander an einen Tisch zu setzen? Die SPD Trudering-Riem hat auf ihrer Ortsvereinssitzung im Truderinger Kulturzentrum den Versuch gewagt und mit jüdischen und muslimischen Gästen über den Nahostkonflikt und seine Folgen gesprochen.
„Der Angriff der Hamas auf Israel hat auch Auswirkungen auf uns in München“, sagte Cumali Naz, SPD-Stadtrat aus Trudering und Fachsprecher für Migrationspolitik, der als Referent zur Sitzung des SPD-Ortsvereins gekommen war. Einstimmig habe der Münchner Stadtrat eine Resolution verabschiedet, „dass unsere Stadt fest an der Seite Israels steht“. Innerhalb der Gesellschaft sehe er aber die Gefahr einer Spaltung. Das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Religionen sei „für die städtischen Strukturen überlebenswichtig“, mahnte er.
Wie die Situation aus jüdischer Perspektive aussieht berichtete Jil Meiteles, Mitglied der jüdischen Gemeinde in München und Enkelin von Holocaust-Überlebenden. Einige ihrer in Israel lebenden Freunde seien zum Kriegsdienst eingezogen worden, sagte sie. Die Situation der palästinensischen Zivilbevölkerung werde auch von Israelis bedauert: „Die palästinensische Bevölkerung leidet massiv unter der Hamas.“
Doch erlebt sie persönlich seitdem mehr antisemitische Vorfälle? Ihre Antwort ist erschreckend. „Antisemitismus kenne ich seit meiner Kindheit, das wird es immer geben“, sagt sie. Inzwischen sei sie jedoch bereit, sich dagegen zu wehren. Wichtig sei vor allem Aufklärung. Deshalb beteiligt sich Meiteles am Projekt „Meet a Jew“, bei dem über den Zentralrat der Juden Begegnungen mit jüdischen Mitbürger*innen organisiert werden. Denn noch immer gebe es Unwissenheit und Vorurteile, „Judentum besteht aus mehr als dem Holocaust.“
Als bedrückend empfinden die Ereignisse in Israel auch Muslime. „Ich finde den Überfall der Hamas schrecklich und fühle mich durch diesen Konflikt angegriffen“, sagte Dina Bouskouchi Hamdani, Vorsitzende des Interkulturellen Forums für Frauen und Familien in der Messestadt Riem. Antisemitismus lehne sie entschieden ab, betonte sie: „Ich möchte nicht, dass Juden gehasst werden, aber ich will auch nicht als Muslima diskriminiert und mit der Hamas in Verbindung gebracht werden.“
Gerade in südlichen Ländern herrsche aber teilweise auch eine andere Sicht auf den Konflikt, erklärte Naz. Häufig würden ausschließlich Medien aus den Herkunftsländern als Informationsquelle genutzt: „Die Leute schauen nicht das deutsche Fernsehen, sondern ihre eigenen Sender, und werden dadurch beeinflusst.“ Vor diesem Hintergrund sei es nicht einfach, gegen antisemitische Haltungen vorzugehen. Gleichzeitig räumte er ein: "Die allermeisten Menschen wollen in München gemeinsam in Frieden leben. Deswegen müssen wir gegen Antisemitismus, Islamfeindlichkeit und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entschieden vorgehen."
Meiteles betonte indes auch die Gemeinsamkeiten der muslimischen und jüdischen Kultur und Religion. „Palästinenser und Juden haben 1.700 Jahre zusammengelebt“, sagte sie. Judentum und Islam seien sich „wahnsinnig ähnlich, was die Rituale, die Feiertage, die Gelehrten und Propheten angeht.“ Ein stabiler Frieden sei im Nahen Osten aber erst denkbar, wenn seitens der arabischen Länder das Existenzrecht Israels akzeptiert werde.
Die SPD für Trudering, Riem und die Messestadt verstehe sich als Ort für aktuelle Debatten, sagte die Co-Vorsitzende des Ortsvereins, Julia Stark, nach der Veranstaltung: „Wir möchten ein Forum bieten, um über unseren Stadtbezirk und die Münchner Politik zu diskutieren, aber auch über Landes-, Bundes-, und internationale Themen.“ Gerade in schwierigen Zeiten sei es wichtig, dass Menschen miteinander über ihre Belange sprächen und sich gemeinsam einbrächten.